Kosovokrieg-Master Mind mit Eskalation in Heuchelei pro Eskalation gegen Russland

Klaus Naumann ist der höchstdekorierte General der Bundeswehr – er hat sich in einem Gegenaufruf in der Fatz (13.12.14) noch einen weiteren Orden verdient: den eines Generaloberheuchlermarschalls. Denn um seinen Gegenaufruf gegen den Aufruf von Horst Teltschik, Walter Stützle, Antje Vollmer und anderen („Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen!“) plastisch im Kontext lesen zu können, muss man folgendes wissen: Naumann war nicht nur der oberste deutsche Soldat seit 1945, langjähriger Generalinspektor und dann 1996-1999 Chef des NATO-Militärausschusses, sondern in dieser Funktion auch der Master Mind des NATO-Krieges gegen Jugoslawien 1999, durch den das Kosovo von Serbien abgespalten wurde. Naumann bereitete diesen Krieg maßgeblich und von langer Hand vor. Er trat dann auch als Zeuge der Anklage gegen Milosevic in Den Haag auf (bevor Milosevic auf bizarre Weise durch versehentlichen Selbstmord zu Tode gekommen sein soll).

Wie oft muss man es wiederholen: Wenn die Heuchelei Naumanns, der NATO und der deutschen Politik zu konstatieren ist, bedeutet das nicht im mindesten eine Position „pro Milosevic“ oder „pro PUUTIIN“. WNLIA = Weder Milosevic noch Naumann, lieber irgendwie anders wie im folgenden: Das Kosovo gehörte nach dem Völkerrecht zu Jugoslawien bzw. zu Serbien. Es gab keinen davon abweichenden UNO-Beschluss. Wer also rein völkerrechtlich argumentiert (und das tut der Generaloberheuchlermarschall), hat im Fall Kosovo absolut schlechte Karten. Im Gegenteil hat Ex-Kanzler und (in dieser Sache) ehrlicher Zyniker Gerhard Schröder recht, wenn er die Abspaltung des Kosovo als Präzedenzfall für die Abspaltung der Krim wertet (es gibt noch viele weitere Präzedenzfälle, die meisten auf Initiativen des „Westens“).

Nun hat Schröder den Aufruf von Antje Vollmer und anderen unterschrieben. Das ist in jeder Hinsicht unfein, aber der Aufruf ist das mindeste, was angesichts der ungebremsten und kriegsbrandgefährlichen Eskalationspolitik des Westens und besonders  der USA und Deutschlands gegen Russland zu tun ist (wie oft muss man es wiederholen: Russland ist nicht gleich PUUTIIN, Russland besteht (noch) aus 145 Millionen Männern und Frauen). Der Aufruf ist in Wirklichkeit viel zu vage: Er warnt nur allgemein vor den möglichen militärischen Automatismen der jetzigen Eskalationspolitik, ohne explizit zu fordern: keine weiteren Sanktionen gegen Russland und Aussetzung und Aufhebung der bisherigen; bündnisfreier Status für die Ukraine; keinerlei Unterstützung für eine Wiederaufnahme des Kriegs in der Ostukraine von keiner Seite, auch nicht von der Kiewer Seite – Zeit für Verhandlungen aller strittigen Probleme. Trotz seiner Vagheit und trotz Schröder ist der Aufruf wenigstens ein Einspruch gegen das einäugige Trommelfeuer der Mainstreampolitik und der Mainstreammedien zur Eskalation gegen Russland ohne Rücksicht auf die möglichen katastrophalen Folgen und insofern unterstützenswert.

Wie vor dem Ersten Weltkrieg kann dagegen nur mit Diffamierung, Beschuldigung des „Verrats“, extremer Einäugigkeit und einer wahren Nuklearexplosion von Heuchelei gestritten werden. Musterbeispiel Naumann. Was sagt er zur Warnung vor einer automatischen Eskalation, die schließlich, wenn sie einfach „laufen gelassen“ wird (wie bei den Automatismen vor WK I) in eine militärische Konfrontation mit Russland münden kann? „Die Unwahrheit: Es drohe Krieg in Europa. Das ist blanker Unsinn. Russland ist zu schwach, Krieg gegen das mit Nordamerika verbündete Europa zu führen.“ War das die Frage? Doch wohl die gegenteilige: Ob das mit Nordamerika verbündete Europa zu schwach ist, Krieg gegen Russland zu führen! (Krieg gegen Jugoslawien zu führen, war es nicht zu schwach. Und zweitens: (dieser Heuchler schreibt sich ständig in den Finger, wie Brecht das nannte) – Wenn  Russland also gar keine Kriegsgefahr für Europa darstellt (was stimmen dürfte): Warum dann die Eskalation, die ja nur mit der Aggressivität Russlands begründet wird (Titel Naumann: „Wir brauchen Sicherheit vor Russland“)?

Und so geht es weiter: Ein Absatz Heuchelei („Menschen, denen die Kraft des Rechts mehr bedeutet als das Recht des Stärkeren, dürfen diesen Aufruf nicht unterstützen“ – sagt der Master Mind von 50000 Bombenangriffen gegen europäische Großstädte wie Belgrad und Prishtina im Jahre 1999 ohne UNO-Mandat und aufgrund eines Ultimatums, das als unannehmbar kalkuliert war) – und dann wieder ein Absatz Selbstwiderspruch: „dass es Putins Russland selbst ist, das sich aus Europa herausdrängt, weil es entgegen der Vereinbarung von Paris eine eigene Einflusszone beansprucht und sie beherrschen will.“ – 2 Sätze weiter (!!): „Dort (in  Moldau und Georgien) ist es Russland, das Europa und den Einfluss westlicher Ideen verdrängen will.“ Also es gibt einerseits böse „Einflusszonen“, und anderseits den guten „Einfluss westlicher Ideen“. Es ist zu befürchten, dass Naumann niemals ein  Buch über die Eskalation des Ersten Weltkriegs studiert hat, und besonders über die Rolle spezifisch deutscher „Ideen“-Heuchelei! „Ideen-Einflusszonen sind gut!“ Sie sagen es selbst – wie aber, wenn es auch russische Ideen gibt? Wenn etwa Serbien mit dem „Recht zur freien Bündniswahl“ (hat die Ukraine, sagt Naumann) mit Russland verhandeln will, dann wird es umgehend von Frau Merkel bedroht: Entweder oder! (Aber das ist ja eine „Ideen-Einflusszone“.)

Und dann wieder ein Satz Heuchelei, und dann wieder ein Satz Selbstwiderspruch undsoweiter. Bis am Schluss dann auch (wie 1914!) der Vorwurf des „Verrats“ nicht fehlen darf: „In Gegensatz zu den Unterzeichnern des Aufrufs VERRÄT sie (Angela Merkel) nicht des eigenen Vorteils wegen die Grundlagen Europas: Rechtsstaatlichkeit und Freiheit.“ Radetzkymarsch bitte! O ja doch. Wir Ursprünglichen Chaoten finden den Aufruf, wie gesagt, in mancher Hinsicht zu vage und sehen ungern die Unterschrift von Gerhard Schröder (darauf zielt natürlich die Formel vom „eigenen Vorteil“: geschenkt!) – aber wir lassen uns gern vom Generaloberheuchlermarschall zu den „Verrätern“ zählen – der Oberverräter Karl Kraus wäre heute ebenfalls wieder dabei, da sind wir sicher.

Wenn die Psyche desertiert: mehr Selbstmorde als Heldentode

Die letzte Möglichkeit zur Befreiung aus schmutzigen Kriegen (und welche wären sauber?) war, seit es Kriege gibt, die Desertion. Vor der modernen Nation mit ihrer Wehrpflicht gab es schon einmal freiwillig-professionelle Soldaten: die Söldner. Ihrer Freiwilligkeit wurde massiv mit Alkohol und anderen „Werbemethoden“ nachgeholfen – entsprechend hoch war die Desertionsrate. Auch in den Wehrpflichtarmeen, in denen Deserteure teils mit der Todesstrafe bedroht waren, gab es Gelegenheiten, „die Kirschen der Freiheit“ (Alfred Andersch) zu pflücken: Man konnte zum bekannten Feind überlaufen oder in bekannten Bevölkerungen untertauchen.

Anders die Situation in Antiguerillakriegen in „Übersee“: Dort gab es anscheinend keine Chance, in den „Dschungel“ zu desertieren. Aber man konnte sich im Vietnamkrieg als Wehrpflichtiger rechtzeitig nach Kanada oder Frankreich durchschlagen. Das führte zu einer wahren Massendesertion, weshalb die USA (und dann auch alle anderen Weltjuntastaaten, zuletzt auch Deutschland) die Wehrpflicht abschafften und zur Freiwilligkeit und zum Professionalismus der Söldnerheere zurückkehrten.

In Kriegen wie dem in Afghanistan scheint wirklich jede Chance auf Desertion verbaut: Zu den Taliban überlaufen? Man kann sich ihnen nicht einmal sprachlich verständlich machen, sie würden einen umbringen. Also heißt die Reaktion auf den häufigen Anblick zerfetzter Körper von Sprengfallen der Aufständischen und Luftschlägen der eigenen Kameraden und auf den Horror der Nightraids wie früher „Zusammenreißen“, „auf die Zähne beißen“, „Mann sein“ und neuerdings dann auch noch „Stress-Management“.

Damit lässt sich aber die Psyche (bzw. der Psychosoma) nicht überzeugen – bis sie schließlich die letzte Fluchtschneise erzwingt: die depressive Erkrankung und sogar den Selbstmord. Ich muss gestehen, dass ich die Zahlen, die von mehr Selbstmorden als Todesfällen im Kampf bei der US-Armee in Asien berichteten, zuerst bezweifelte, als ich sie sah. Aber sie werden jetzt offiziell vom Pentagon bestätigt – sie beweisen, dass die Antiguerillakriege nicht nur am Gegner, sondern sogar an den residualen anthropologischen Gegebenheiten selbst der „härtesten Männer der Welt“ scheitern. Sie sind ausweglos. Da sie aber dennoch geführt und gewonnen werden „müssen“, folgt jetzt die smart defense, das heißt der reine Drohnenkrieg als Computerspiel ohne realen Anblick von Leichen.

All das bringt die Antiguerillastrategen der Bundeswehr in eine enorm wacklige Lage: Ein lautes Begehren des Volks könnte jetzt sowohl den Rückzug aus Afghanistan erzwingen wie die Umrüstung auf smart defense von vornherein blockieren. Könnte.