Das Rätsel der zwei Zweidrittelmehrheiten

Bei repräsentativen Umfragen sprechen sich jeweils etwa zwei Drittel der Befragten in Deutschland gegen den Krieg der Bundeswehr in Afghanistan (und für den Rückzug) sowie für die weitere Führung dieser Bundeswehr durch Minister Guttenberg aus (trotz dessen „handwerklichen Fehlern“ in seiner Doktorerwerbs-Strategie und -Taktik).

Wenn man annimmt, dass die Mehrheit des bellizistischen Drittels (darunter viele Grünenwähler/innen) auch für den Oberkommandierenden Guttenberg votiert und die Mehrheit des Anti-Guttenberg-Drittels für den Abzug aus Afghanistan ist, stellt – grob überschlagen – das Schnittmenge-Drittel ein Rätsel dar.

Schizophrenie? Weibliche (und männliche) Suggestibilität durch den angeblichen Sex-Appeal? Oder die Annahme, dass der Minister, der die Wehrpflicht de facto abgeschafft und es dadurch unmöglich gemacht hat, dass jemals ein junger Deutscher, der sich nicht freiwillig dazu gemeldet hat, in Afghanistan fallen kann – dass dieser Minister den heimlichen Plan verfolgt, die Wehr in Kürze zurückzuziehen?

Gegen die zuletzt genannte Hoffnung spricht natürlich gerade die Umstellung der gesamten Wehr auf sogenannte „Elite“-Soldaten mit Profimentalität, die sich noch nie in der Geschichte viel Gedanken über Demokratie und Zivilistenrechte im Krieg gemacht haben. Es spricht auch Guttenbergs bedingungslose Zustimmung zur Petraeus-Eskalations-Strategie dagegen.

Also stehen wir beim Schnittmenge-Drittel vor dem Rätsel eines schwarzen Lochs. Bitte melden, wer hineinleuchten kann.

Afghanistan: jetzt auch noch ein riesiges Ölfeld unter der Sackgasse gemeldet!

Unter der deutschen Zone im Norden Afghanistans liege eines der größten Ölfelder Mittelasiens. Das soll erst jetzt entdeckt worden sein. Die Frage ist wohl eher, weshalb es ausgerechnet jetzt (wieder, und diesmal groß) medial ausposaunt wird. Ist das nun ein Akt der Verzweiflung? Denn vor Tische las mans anders: Als unser Ex-Pazifistenfreund Ludger Volmer 1999 die circa 50000 Bombenangriffe auf Belgrad, Prishtina und andere Großstädte des Balkans rechtfertigte, war eines seiner wichtigsten Argumente noch, dass es unter dem Kosovo kein Öl gäbe und dass das bewiese, die 50000 Bombenangriffe auf Großstädte hätten absolut nichts zu tun mit „dem, was wir früher Imperialismus genannt haben“. Daraus sei logisch zu folgern, dass die 50000 Bombardements nur humanitäre Ziele haben könnten.

Ebenso hörten wir nun fast 10 Jahre lang zuerst gar nichts von Bodenschätzen unter Afghanistan, dann zwar von einigen Mineralien, aber nichts von Öl, und jedenfalls nicht unter der deutschen Zone.  Und nun erfahren wir, dass genau unter der deutschen Zone ein Riesenölfeld liege. Hält man die Grünen inzwischen für derartig konvertiert zu „dem, was wir früher Imperialismus genannt haben“, dass man ihre Abkehr vom Afghanistankrieg nur noch mit der Aussicht auf ein riesieges Ölfeld verhindern zu können glaubt?

Gleichzeitig erfahren wir, dass der Appell „Heraus aus der Sackgasse in Afghanistan“, der den Abzug ja unabhängig von Öl oder Nichtöl fordert, in jeder Hinsicht bestätigt ist. Der Krieg ist schmutzig wie der in Vietnam: Die „Ausbildung“ der Karzai-Truppen durch die Bundeswehr bedeutet Eskalation pur in Gestalt blutiger gemeinsamer Offensiven mit Opfern auf allen Seiten, die „gezielten Tötungen“ durch US-Spezialkräfte in der deutschen Zone eskalieren ebenso wie die Drohnenkillungen. Und dennoch werden die „Taliban“ nicht weniger. Und von „baldigem Abzug“ ist jedenfalls beim Oberkommandierenden Petraeus keine Rede mehr.  Wie wir es gesagt haben: „Exit“ bedeutet „Exitus“.

Schließlich erfahren wir ganz nebenbei noch eine makabre Spitze: die „gezielten“ Drohnenkillungen in Pakistan gegen die „Rückzugsgebiete der Taliban“ gehen selbst während der größten Naturkatastrophe in diesem geschundenen Land weiter: Es gibt nicht einmal eine Pause aus Pietät. Und unsere ach so kritischen Medien (kritisch gegenüber „gezielten Tötungen“ und anderem Kriegshorror nicht nur auf Seiten der Taliban, sondern auf beiden Seiten) wundern sich nun, dass für Pakistan nicht gespendet wird.

„Monitor“ bestätigt Afghanistanappell

In der Monitor-Sendung Nr. 605 vom 22.4.2010 wurde klar, dass inzwischen sogar ein hegemoniales Medium und höchste internationale hegemoniale Instanzen wie das Internationale Komitee von Roten Kreuz (CICR) in Genf wesentliche Punkte des Appells „Heraus aus der Sackgasse in Afghanistan“ bestätigen.

Sowohl in der Moderation von Sonja Seymour Mikich wie in den Dokumenten von Markus Schmidt, Christoph Heinzle, Andreas Orth und Kim Otto ging es endlich in aller Deutlichkeit um die taktische Speerspitze des ganzen ISAF- und Bundeswehreinsatzes: das „gezielte Töten“ nach geheimen sogenannten „c/k-Listen“ (capture or kill). ( Dieser Begriff des „gezielten Tötens“, der bei den Prokriegsparteien des Bundestags nie in den Mund genommen wird, ist hiermit nicht länger Tabu in der öffentlichen Diskussion.)

Es wurde belegt: In der deutschen Zone finden routinemäßig „gezielte Tötungen“ durch US-Special Forces statt. Dokumentiert wurde ein nächtliches Massaker in Iman Said am 22.3. 2010. Ein afghanischer Mitarbeiter des DED kommentierte mehrere Leichen als „völlig harmloser Mensch ohne jede Schulbildung“ bzw. „etwas geistig zurückgebliebener Mensch“. Dann der Armeesprecher: „Es waren alles legitime Ziele, die wir durch spezifische Aufklärung aus mehreren Quellen als Kontaktleute von Al Qaida identifiziert hatten.“ Das von der Bundeswehr befohlene Massaker von Yakob Baj vom 4.9.2009 wurde dann als imgrunde zweifelsfreier Fall von „gezielter Tötung mit Kollateralschäden“ eingeordnet (vom Internationalen Roten Kreuz befragte Zeugen: [mindestens] 18 Kinder und Jugendliche als Opfer).

Sogar Nils Melzer vom CICR in Genf  (der imgrunde NATO-Mächte nicht kritisieren darf) äußerte „große Sorge“ über die „gezielten Tötungen“. Der Völkerrechtler Tomuschat von der HU rang sich dagegen zu einem klaren „Ja, ein Kriegsverbrechen“ durch.

Drei Punkte sind zu ergänzen, die (bisher) im hegemonialen Bereich noch Tabu sind:

1. Das systematische „gezielte Töten“ beruht ganz und gar, wesentlich und strukturell auf einem geheimdienstlichen Denunziationssystem für Belohnung mit Geld, zu dem die Interventen keinen direkten sprachlichen und kulturellen Zugang haben. Es besteht dabei demnach ein sehr, sehr hohes Risiko, dass die „Informationsquellen“ (siehe oben) ethnische, religiöse und andere gruppenspezifische (etwa Feindschaft zwischen Clans) Motive für Denunziationen einsetzen. Das ist vielfach belegt (s. dazu Marc Thörner, „Afghanistan-Code“, zum Fall Yakob Baj). Damit verstößt das „gezielte Töten“ nach geheimdienstlichen Denunziationen immer und grundsätzlich gegen selbst ein völlig überzogenes „Kriegsvölkerrecht“, weil immer und grundsätzlich Zweifel angebracht sind, ob es sich auch nur um „feindliche Kämpfer“ (zu schweigen von Kombattanten oder Terrorverdächtigen, die niemals außerhalb einer akuten Gefahr einfach liquidiert werden dürfen) handelt. Das darf ein Angestellter des CICR natürlich nicht sagen.

2. Ob „gezieltes Töten“ überhaupt mit dem Kriegsvölkerrecht vereinbar ist, ist keineswegs bereits völkerrechtlicher „mainstream“ – es ist noch ganz kontrovers.

3. Die Monitorsendung hat den absurden Widerspruch zwischen der von der Bundeswehr nun auch ganz offen übernommenen Counterinsurgency-Eskalationsstrategie einerseits und den angeblichen Gründen für das „Engagement“ anderseits („Stabilisierung“ Afghanistans, Schutz Deutschlands vor Terror aus Afghanistan) überzeugend herausgearbeitet. In dieser Perspektive erschienen Merkel und Guttenberg (SPD und Grüne kamen außer Nouripour nicht vor) als völlig irrational und schizophren. Das sind sie aber nicht, wenn der wahre Grund für ihr „Engagement“ ein  anderer ist (wie es der Afghanistanappell sagt): Um „ganz vorne in der 1. Welt-Liga spielen“ zu können, d.h. einen Platz unter den führenden Weltmächten zu behaupten, muss Deutschland beweisen, dass es inzwischen auch einen Counterinsurgency-Krieg (also einen Anti-Guerillakrieg) führen kann. Sonst ist man „zweitklassig“.

Der Afghanistanappell steht weiter zur Unterzeichnung bereit.

Ausbildung

(Karl Kraus zum Gedächtnis)

Die Bundeswehr, das wissen Fatz wie Tatz

Stellt Ausbilder und bildet im Galopp

Jetzt Azubis von Karzai aus, hopphopp!

Professionell, sonst ist es für die Katz.

Sie üben also friedlich einen Kampfeinsatz

Natürlich realistisch on the job

Damits nicht wird am Ende nochen Flop,

Sind echte Taliban der Feind bei dieser Hatz.

Doch diese hinterhältig feigen Taliban

Verüben einen Anschlag auf die Bundeswehr

Mitten im Friedenstraining spieln sie Krieg.

In ihrem dumpfen Fanatismuswahn

Schießen sie feige quer und spieln nicht fair

Versaun der Wehr den Aufstieg in die Champions League.