„Monitor“ bestätigt Afghanistanappell

In der Monitor-Sendung Nr. 605 vom 22.4.2010 wurde klar, dass inzwischen sogar ein hegemoniales Medium und höchste internationale hegemoniale Instanzen wie das Internationale Komitee von Roten Kreuz (CICR) in Genf wesentliche Punkte des Appells „Heraus aus der Sackgasse in Afghanistan“ bestätigen.

Sowohl in der Moderation von Sonja Seymour Mikich wie in den Dokumenten von Markus Schmidt, Christoph Heinzle, Andreas Orth und Kim Otto ging es endlich in aller Deutlichkeit um die taktische Speerspitze des ganzen ISAF- und Bundeswehreinsatzes: das „gezielte Töten“ nach geheimen sogenannten „c/k-Listen“ (capture or kill). ( Dieser Begriff des „gezielten Tötens“, der bei den Prokriegsparteien des Bundestags nie in den Mund genommen wird, ist hiermit nicht länger Tabu in der öffentlichen Diskussion.)

Es wurde belegt: In der deutschen Zone finden routinemäßig „gezielte Tötungen“ durch US-Special Forces statt. Dokumentiert wurde ein nächtliches Massaker in Iman Said am 22.3. 2010. Ein afghanischer Mitarbeiter des DED kommentierte mehrere Leichen als „völlig harmloser Mensch ohne jede Schulbildung“ bzw. „etwas geistig zurückgebliebener Mensch“. Dann der Armeesprecher: „Es waren alles legitime Ziele, die wir durch spezifische Aufklärung aus mehreren Quellen als Kontaktleute von Al Qaida identifiziert hatten.“ Das von der Bundeswehr befohlene Massaker von Yakob Baj vom 4.9.2009 wurde dann als imgrunde zweifelsfreier Fall von „gezielter Tötung mit Kollateralschäden“ eingeordnet (vom Internationalen Roten Kreuz befragte Zeugen: [mindestens] 18 Kinder und Jugendliche als Opfer).

Sogar Nils Melzer vom CICR in Genf  (der imgrunde NATO-Mächte nicht kritisieren darf) äußerte „große Sorge“ über die „gezielten Tötungen“. Der Völkerrechtler Tomuschat von der HU rang sich dagegen zu einem klaren „Ja, ein Kriegsverbrechen“ durch.

Drei Punkte sind zu ergänzen, die (bisher) im hegemonialen Bereich noch Tabu sind:

1. Das systematische „gezielte Töten“ beruht ganz und gar, wesentlich und strukturell auf einem geheimdienstlichen Denunziationssystem für Belohnung mit Geld, zu dem die Interventen keinen direkten sprachlichen und kulturellen Zugang haben. Es besteht dabei demnach ein sehr, sehr hohes Risiko, dass die „Informationsquellen“ (siehe oben) ethnische, religiöse und andere gruppenspezifische (etwa Feindschaft zwischen Clans) Motive für Denunziationen einsetzen. Das ist vielfach belegt (s. dazu Marc Thörner, „Afghanistan-Code“, zum Fall Yakob Baj). Damit verstößt das „gezielte Töten“ nach geheimdienstlichen Denunziationen immer und grundsätzlich gegen selbst ein völlig überzogenes „Kriegsvölkerrecht“, weil immer und grundsätzlich Zweifel angebracht sind, ob es sich auch nur um „feindliche Kämpfer“ (zu schweigen von Kombattanten oder Terrorverdächtigen, die niemals außerhalb einer akuten Gefahr einfach liquidiert werden dürfen) handelt. Das darf ein Angestellter des CICR natürlich nicht sagen.

2. Ob „gezieltes Töten“ überhaupt mit dem Kriegsvölkerrecht vereinbar ist, ist keineswegs bereits völkerrechtlicher „mainstream“ – es ist noch ganz kontrovers.

3. Die Monitorsendung hat den absurden Widerspruch zwischen der von der Bundeswehr nun auch ganz offen übernommenen Counterinsurgency-Eskalationsstrategie einerseits und den angeblichen Gründen für das „Engagement“ anderseits („Stabilisierung“ Afghanistans, Schutz Deutschlands vor Terror aus Afghanistan) überzeugend herausgearbeitet. In dieser Perspektive erschienen Merkel und Guttenberg (SPD und Grüne kamen außer Nouripour nicht vor) als völlig irrational und schizophren. Das sind sie aber nicht, wenn der wahre Grund für ihr „Engagement“ ein  anderer ist (wie es der Afghanistanappell sagt): Um „ganz vorne in der 1. Welt-Liga spielen“ zu können, d.h. einen Platz unter den führenden Weltmächten zu behaupten, muss Deutschland beweisen, dass es inzwischen auch einen Counterinsurgency-Krieg (also einen Anti-Guerillakrieg) führen kann. Sonst ist man „zweitklassig“.

Der Afghanistanappell steht weiter zur Unterzeichnung bereit.

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